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Warum ein schlechter Prozess auch digitalisiert kein besserer wird

  • Autorenbild: Noëmi Thum
    Noëmi Thum
  • 9. Juni
  • 5 Min. Lesezeit

Was mir in einem Baucontainer auffiel


Ich war gerade erst ein paar Wochen in einem Beratungsunternehmen, als ich bei einem Projekt einsprang, bei dem ich den Auftrag selbst ins Rollen gebracht hatte. Unser Auftraggeber: ein Unternehmen, das in wenigen Monaten die Tore zu einem der spannendsten und innovativsten Vorhaben Europas öffnen wollte. Die Vision war beeindruckend, das Vorhaben technologisch hochmodern, international beachtet und von den Medien begleitet. Über 10’000 Besucher:innen wurden am Eröffnungstag erwartet.


Die Herausforderung: Das Gebäude war noch eine Baustelle. Unsere Meetings fanden in Baucontainern statt. Doch die Motivation auf Kundenseite war spürbar. Wir begannen, uns einen Überblick über das Geschäftsmodell und die geplanten Dienstleistungen zu verschaffen. Das Unternehmen war klar in Fachbereiche gegliedert.


Jeder Bereich hatte detailliert aufgearbeitet, welche Leistungen erbracht werden sollten und mit welcher Technologie. Es war viel Know-how und Engagement spürbar. Und doch fiel uns etwas auf: Obwohl es sich um erste Überlegungen auf Papier handelte, schienen die einzusetzenden Technologien bereits gesetzt. Es war alles durchdacht – keine Frage. Aber es fehlte die Perspektive der Menschen, für die all das eigentlich geschaffen wurde: der künftigen Kund:innen.


Die Besucher:innen, die zur Eröffnung erwartet wurden, würden zwar als Erste einen Eindruck gewinnen. Doch ob dieser überzeugte, entschied sich daran, ob das Angebot wirklich auf die Bedürfnisse der Kund:innen ausgerichtet war.

Drei Personen diskutieren an einer Glaswand mit bunten Haftnotizen – strategische Planung und Teamarbeit in einem modernen Büro.


Das Problem: Technologie statt Kundennutzen als Ausgangspunkt


In vielen Unternehmen, die stark wachsen, passiert etwas fast Unvermeidliches: Prozesse werden komplexer. Das liegt daran, dass sich Rollen ausdifferenzieren, Aufgaben auf mehrere Teams verteilt werden und Entscheidungen nicht mehr zentral getroffen werden können. Hinzu kommen neue Tools, zusätzliche Anforderungen und mehr Schnittstellen. Diese Komplexität ist nicht per se schlecht. Aber sie braucht Klarheit, sonst wird sie zur Reibung.


Gleichzeitig steigt der Druck, diese Prozesse effizienter zu gestalten. Die vermeintliche Wunderwaffe: Digitalisierung.


Was dabei oft übersehen wird: Ein ineffizienter oder schlecht durchdachter Prozess wird durch Digitalisierung nicht automatisch besser. Manchmal wird er schneller, ja, aber auch teurer, intransparenter und schwerer zu hinterfragen. Die Probleme verlagern sich von Papierformularen ins Interface, vom E-Mail-Chaos in komplizierte Systeme. Was bleibt, ist der Aufwand – Rückfragen, Abstimmungen, Frust. Nur digitalisiert.


Viele Teams starten Digitalisierungsprojekte aus der Annahme heraus, dass Technologie automatisch für Fortschritt sorgt. In dem Unternehmen, von dem ich erzähle, war rasch die Rede von Digital Twins, Blockchain, KI-basierten Steuerungssystemen. Solche Begriffe wirken fortschrittlich, ersetzen aber keine Strategie. Manchmal springt man auf Technologietrends auf, weil sie modern wirken, nicht weil sie echten Mehrwert für Kund:innen bringen.


Die Realität sieht anders aus. Wer ohne strategischen Rahmen digitalisiert, zementiert bestehende Schwächen. Prozesse, die intern gedacht sind, werden mit Tools abgebildet, ohne die Perspektive der Kund:innen einzunehmen. Oft fehlt dabei ein grundlegendes Prozessverständnis: Was soll dieser Ablauf überhaupt für wen leisten?


Ein digitalisierter Ablauf ist nicht automatisch ein verbesserter Ablauf. Und ein Tool ist keine Lösung, wenn das zugrundeliegende Problem nicht verstanden wurde.



Drei Warnsignale, dass dein Prozess auch digitalisiert nicht funktioniert


Idealerweise hinterfragst du Prozesse vor der Digitalisierung. Aber auch im Nachhinein gibt es klare Hinweise, die du nutzen kannst – oder sogar schon beim Planen beachten solltest.


1. Mitarbeitende weichen auf eigene Lösungen aus

Wenn trotz neuer Tools weiterhin Excel-Listen, Notizen oder parallele Chatverläufe genutzt werden, spricht das eine klare Sprache: Der Prozess funktioniert im Alltag nicht. Die Nutzer:innen suchen sich pragmatische Umgehungen, weil der Ablauf nicht anschlussfähig ist.


2. Kund:innen stellen dieselben Rückfragen wie vorher

Wenn nach dem Absenden eines Kontaktformulars tagelang keine Rückmeldung erfolgt oder ein Self-Service-Portal Fragen aufwirft, statt sie zu beantworten, ist klar: Hier wurde nicht vom Kundenerlebnis aus gedacht.

In vielen Unternehmen werden Prozesse aus der Perspektive der internen Abläufe konzipiert. Zum Beispiel: „Das Formular landet direkt bei der zuständigen Abteilung, die entscheidet dann weiter.“ Das klingt logisch, aber nur aus Sicht der Organisation. Für Kund:innen zählt etwas anderes: Sie wollen wissen, was als Nächstes passiert, wie lange es dauert und an wen sie sich wenden können, falls etwas unklar ist.

Ein kundenzentrierter Prozess beginnt nicht bei der internen Verteilung, sondern bei der Frage: Was braucht unser Gegenüber in diesem Moment, um weiterzukommen – einfach, sicher und ohne Rückfragen?


3. Prozesse existieren, aber niemand weiss so recht, warum

Ein Prozess kann auf dem Papier sinnvoll erscheinen – etwa ein Onboarding-Ablauf für neue Kund:innen. Aber wenn nie erhoben wird, ob diese sich danach wirklich zurechtfinden oder wie lange der Einstieg tatsächlich dauert, bleibt es beim Bauchgefühl. Ohne Daten oder Feedback fehlt die Grundlage, um gezielt besser zu werden.



Die Lösung: Vom Menschen aus denken, dann digitalisieren


Der entscheidende Perspektivwechsel beginnt mit einer einfachen Frage:

Was brauchen unsere Kund:innen, und wie erleben sie unsere Leistung?


Die richtige Frage lautet nicht, welche Software gerade angesagt ist. Auch nicht, wie man das Backoffice entlastet. Sondern: Was braucht unser Gegenüber wirklich, und wie können wir das sinnvoll unterstützen?


Sobald diese Sicht geschärft ist, lassen sich Prozesse strukturieren, die Wirkung entfalten. Erst dann wird Digitalisierung zu einem sinnvollen Hebel.


Ein häufiger Denkfehler: Unternehmen optimieren zunächst für interne Abläufe. Das ist verständlich, aber oft zu früh. Wenn der externe Nutzen nicht klar ist, führt auch die beste interne Struktur nicht zum gewünschten Ergebnis. Prozesse entfalten erst dann ihre Kraft, wenn sie mit Blick auf das Kundenerlebnis gestaltet sind.


Zwei Personen skizzieren gemeinsam einen Ablauf mit Bleistiften auf einem Tisch – Symbol für Klarheit und strukturierte Prozessentwicklung.


Ein einfaches Framework für bessere Prozesse


1. Verstehen

Was soll dieser Prozess leisten? Für wen? Wann beginnt er, wann ist er abgeschlossen? Welche Schnittstellen gibt es?


2. Vereinfachen

Welche Schritte sind unnötig? Wo gibt es Brüche, Umwege oder doppelte Arbeit? Wo fehlt Klarheit?


3. Unterstützen

Erst jetzt stellt sich die Toolfrage: Welche Technologie kann diesen einfachen, klaren Ablauf sinnvoll unterstützen – für Kund:innen, Mitarbeitende und Führung?


Dieses 3-Schritte-Modell verhindert, dass Prozesse um Tools herum gebaut werden. Es stellt sicher, dass die Wirkung im Zentrum steht.



Warum das gerade bei wachsenden Unternehmen so entscheidend ist


Mit rund 30 bis 50 Mitarbeitenden befinden sich viele Unternehmen an einem Wendepunkt. Die Geschäftsleitung kann nicht mehr alles selbst im Blick behalten. Es braucht klare Rollen, definierte Schnittstellen und nachvollziehbare Entscheidungswege. Gleichzeitig steigen die Erwartungen an Professionalität – von Kund:innen, Partnern und Mitarbeitenden.


Wer in dieser Phase falsch digitalisiert, zahlt doppelt: mit Geld und mit Vertrauen. Denn wenn Tools nicht helfen, sondern neue Hürden schaffen, sinkt die Akzeptanz. Das Team verliert Energie. Prozesse werden umgangen. Oder Kund:innen springen ab, weil das Erlebnis nicht überzeugt.


Was es jetzt braucht, ist keine weitere Software, sondern Klarheit. Und die beginnt mit den richtigen Fragen.



Mein Fazit: Technologie folgt dem Angebot, nicht umgekehrt


Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Sie ist ein Verstärker. Sie macht Gutes besser – und Schlechtes sichtbarer. Die entscheidende Frage lautet deshalb nicht: “Welches Tool brauchen wir?” Sondern: “Was braucht unser Gegenüber, und wie können wir das sinnvoll unterstützen?”


Wenn du in deinem Unternehmen feststellst, dass


  • Tools zwar eingeführt wurden, aber kaum jemand sie nutzt

  • Rückfragen und Reibung bleiben, trotz Automatisierung

  • Prozesse sich schwer erklären lassen oder doppelt gefahren werden

  • das Team Ausweichlösungen sucht, um den Alltag zu bewältigen


dann ist es Zeit, genau hinzusehen.


Du willst Prozesse schaffen, die deine Kund:innen wirklich weiterbringen und dein Team entlasten? Dann melde dich unter hallo@noemithum.com. Wir schauen gemeinsam, wo der Hebel liegt.



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